Umbau eines Selen-Gleichrichters

Bei der Restaurierung eines Nordmende Fidelio ist aufgefallen, dass keine einzige Anodenspannung auch nur annähernd mit den Werten im Schaltplan übereingestimmt hat. Das hatte mehrere Gründe, aber eine wesentliche Ursache des Problems lag bereits ganz vorne in der Stromversorgung: Nach über sieben Jahrzehnten hatte der Selen-Gleichrichter seinen Zenit deutlich überschritten …

An der Sekundärwicklung des Netztrafos wurde eine Wechselspannung von 227 V (eff.) gemessen. Gemäß Schaltplan hätten nach Gleichrichtung daraus 285 V entstehen sollen – rechnerisch also 25% mehr, was für einen neuen Selen-Gleichrichter kein Problem darstellt. Tatsächlich kamen allerdings statt der vorgesehenen 285 V nur noch 235 V an – also nur 3% mehr – und das ist definitiv zu dürftig.

Sowohl in der Literatur als auch im Netz gibt es jede Menge Anregungen, einen altersmüden Selen-Gleichrichter durch einzelne Dioden zu unterstützen bzw. den gesamten Gleichrichter durch eine Brückenschaltung aus vier Siliziumdioden (ggfs. mit parallelgeschalteten Kondensatoren zur Minimierung von Brummstörungen) zu ersetzen. Die Idee ist also insofern nicht neu. Interessant ist aber für den einen oder anderen Radiofreund möglicherweise die Umsetzung, denn da ich die Original-Optik des Radios auch innen so weit als möglich erhalten wollte, habe ich mir vorgenommen, die Ersatzschaltung in das ursprüngliche Gleichrichtergehäuse einzubauen.

Dazu wurde mit einer Kleinbohrmaschine und sehr dünner Diamantscheibe zunächst ein winziger „Entlastungsschnitt“ nahe dem Fuß vorgenommen und das Alublech ganz vorsichtig (!) aufgebogen. Zum Vorschein kommen jede Menge Kleinteile wie Selenplättchen, Zwischenbleche, Pertinaxscheiben und eine Feder. Diese Teile können verworfen (bzw. für andere Projekte oder Experimente beiseitegelegt) werden. Die lilafarbene Isolierfolie lässt sich dagegen sehr gut wiederverwenden!

Für das neue Innenleben habe ich aus Lochstreifenrastermaterial eine Platine von 7 Punkten Breite und 20 Punkten Länge zugeschnitten. Auf diese Platine wurden die vier Siliziumdioden (1N7074) und die vier Parallelkondensatoren (4,7 nF/600 V) aufgelötet. Die größten Bauteile kommen in die Mitte, die kleineren nach außen, um sich der Form der Aluminiumröhre anzupassen.

Anschließend wurde die lilafarbene Isolierfolie wieder in die zylindrische Hülse hineingeschoben und statt der metallenen Feder oben eine dünne, isolierende Korkscheibe eingepresst. Danach wurde die Platine eingesetzt und der Zylinder zu etwa zwei Dritteln mit Heißkleber gefüllt. Zuletzt wurde der Schraubfuß eingepasst, von innen verklebt und der Zylinder vorsichtig wieder zugebördelt.

Weil Siliziumdioden eine höhere Spannung erzeugen als Selen, wurde das Radio auf 240 V umgestellt und am Plus-Anschluss des Gleichrichters zusätzlich ein Vorwiderstand angebracht. Da ich gerade zwei Widerstände 47 Ohm/2 W in der Bastelkiste hatte, wurden die beiden einfach parallelgeschaltet. Damit lässt sich die Spannung im Bereich 1…2 V „feintunen“. Falls sich ein Radio nicht auf 240 V umstellen lässt, muss deutlich mehr überschüssige Spannung vernichtet werden – dementsprechend muss der Vorwiderstand und dessen Belastbarkeit natürlich korrekt ausgerechnet werden.

Der Wiedereinbau gestaltete sich völlig unkritisch, da sich äußerlich ja überhaupt nichts verändert hat.

Die meisten Anodenspannungen stimmten danach auf Anhieb. Durch die Umstellung des Netztrafos auf 240 V ist die Heizspannung leicht gesunken (von 6,3 auf 6,1 V), aber das ist absolut in Ordnung.